Porträt der Aachener Lusitanistik
Mit der Besetzung einer Professur für ibero-romanische Literaturen im Jahre 1978 trat die Lusitanistik in Aachen an die Seite der bis dahin dort gepflegten französischen, spanischen, italienischen und rumänischen Sprachen und Kulturen. Die Sprachvermittlung geschah zunächst als Lehrauftrag, bis 1983 ein portugiesisches Lektorat durch das Instituto de Alta Cultura (Instituto Camões) eingerichtet und finanziert wurde. Das wissenschaftliche Programm lag in der Hand der genannten Professur, die von Helmut Siepmann übernommen wurde. Bis 2003 gab es regelmäßig ein Proseminar und ein Hauptseminar zur portugiesischen oder brasilianischen Literatur im Lehrplan des Instituts für Romanische Philologie der RWTH Aachen. Die Studierenden konnten die portugiesische Literatur- und Sprachwissenschaft, die von Richard Baum, dem Aachener Ordinarius für Romanische Philologie, in Lehre und Forschung betrieben wurde, in die Fächerauswahl der Magister- und Doktorprüfung einbauen und auch im Staatexamen für das Lehramt an Gymnasien und Berufsschulen als Zusatzfach wählen. Die akademischen Prüfungen im Haupt- und Nebenfach Portugiesisch konnten bis zur Promotion mit lusitanistischer Thematik bestritten werden. Es wurden auch Doktorarbeiten in portugiesischer Sprache betreut und von der Philosophischen Fakultät angenommen. Die Lusitanistik war zudem Teil des Europa-Studiengangs der Philosophischen Fakultät der RWTH Aachen. Dazu gehörte vor allem die Vermittlung von kultur- und landeskundlichen Informationen.
Die ersten Einschränkungen in der Bandbreite der lusitanistischen Forschung wurden mit dem Beginn des 3. Jahrtausends durchgesetzt. Die Romanistik in Aachen sollte sich auf die Lehrerbildung beschränken, und das bedeutete die personelle und materielle Reduzierung der Italianistik und Lusitanistik, wenngleich die Lehrenden aufgrund ihrer Kompetenz und Interessen die administrativen Hindernisse immer umgehen konnten.
Die Lehre und Forschung in der Lusitanistik Aachen wurde regelmäßig ergänzt durch die Anwesenheit von Gastdozenten aus Rio de Janeiro und Fortaleza (Ceará) sowie eine Vielzahl von Gastvorträgen, die entweder vom Instituto Camões oder durch die Zusammenarbeit mit dem Portugiesisch-Brasilianischen Institut der Universität zu Köln ermöglicht wurden.
Durch personelle Verflechtung konnten viele Aktivitäten der Deutschen Gesellschaft für die Afrikanischen Staaten Portugiesischer Sprache (DASP) in Aachen durchgeführt werden, so dass Afrika und die portugiesischsprachigen Literaturen des afrikanischen Kontinents nach der Unabhängigkeit der afrikanischen Länder in Aachen präsent waren. Die Gründung des DASP-Instituts Brasilien-Afrika-Portugal (BAP), das jetzt von Anne Begenat-Neuschäfer geleitet wird, ist Ausdruck der Weltoffenheit der Aachener Lusitanistik.
Das unglückliche Zusammentreffen von Einschränkungen, die die Technische Hochschule Aachen dem Fach Lusitanistik auferlegte, mit Sparmaßnahmen, die das Instituto Camões unter der Präsidentin Stock zur Beendigung der Lektorenfinanzierung durchsetzte, führte zu einem anfänglichen Rückschlag, der aber durch die Anstrengungen von Anne Begenat-Neuschäfer wettgemacht wurde. So konnte ein Vertrag mit dem Instituto Camões geschlossen werden, der bis zur Stunde den portugiesischen Sprachunterricht absichert. Ferner wurden vor allem aus der Perspektive der Technischen Hochschule Kontakte nach Brasilien hergestellt und Kooperationsverträge abgeschlossen (UFRJ, USP, Mackenzie São Paulo, Brasília); Beziehungen zu Mosambik und Angola sind angebahnt. Im WS 2013/14 wurde erstmals eine Mercator-Professur durch die DFG gefördert, an die im kommenden WS 2014/15 angeknüpft werden soll. So ist eine intensive internationale Zusammenarbeit mit Universitäten und Lehrenden in drei Kontinenten entstanden. Die Implementierung der Lusitanistik in technischen und wirtschaftlichen Studiengängen der RWTH Aachen wird angestrebt. In Zusammenarbeit mit dem ehemaligen Leiter des Instituts für Baugeschichte, Michael Jansen, dem Sultanat Oman und der Universidade Nova de Lisboa konnte eine erste, 16 Bände umfassende Reihe von Faksimiledrucken portugiesischer Quellen zur Geschichte des Sultanats Oman herausgegeben werden. Die Unternehmung wird mit der Transkription der Quellen und deren Übersetzung ins Englische und Arabische fortgesetzt. Derzeit wird die Lehre in der Literaturwissenschaft durch zwei Professoren und einen Nachwuchswissenschaftler mitvertreten.