Eröffnungsrede des Präsidenten

Rede des Präsidenten des Deutschen Lusitanistenverbandes,

Prof. Dr. Claudius Armbruster,

zur Eröffnung des 8. Deutschen Lusitanistentages an der

Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München, 2.September 2009

S. E. o Embaixador de Cabo Verde em Berlim

Senhor Jorge Homero Tolentino Araújo

S. E. o Embaixador de Portugal em Berlim

Senhor José Caetano da Costa Pereira

S.E. a Conselheira de Imprensa da Embaixada de Angola

Senhora Sara Fialho

Sehr geehrter Herr Stadtrat Dr. Reinhard Bauer, Vertreter der Stadt München

Liebe Lusitanistinnen und Lusitanisten,

Ich freue mich, Sie zur Eröffnung des 8. Deutschen Lusitanistentages hier in der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) begrüßen zu können. Mein Dank gilt zunächst der Universität, dem Institut für Romanische Philologie und den Kolleginnen Frau Privatdozentin Dr. Annette Endruschat und Frau Privatdozentin Dr. Barbara Schäfer-Prieß und dem gesamten Organisationsteam für die Vorbereitung unserer Tagung, bei der mehr als 150 Vorträge gehalten werden und mehr als 180 Luistanistinnen und Lusitanisten teilnehmen. Ein herzlicher Dank gilt dem Instituto Camões (IC), der Fundacao Calouste Gulbenkian (FCG) und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), die durch ihre finanzielle Unterstützung, auf die wir uns nun schon seit fast zwei Jahrzehnten verlassen können, die Tagung nachhaltig fördern und unterstützen.

Der 8. Deutschen Lusitanistentag vervollständigt sozusagen die lusitanistische Deutschlandkarte um den Freistaat Bayern. Unsere Tagungen haben nun nach Berlin, Jena, Trier, Mainz/Germersheim, Rostock Leipzig und Köln den Süden der Republik, Bayern und München, erreicht und hier einen neuen Teilnehmerrekord aufgestellt, der zeigt, wie lebendig unser Fachgebiet und natürlich auch wie attraktiv die Stadt München für viele lusitanistsiche Forscherinnen und Forscher aus dem In- und Ausland ist. Viele der Lusitanistentage fanden im Norden und Osten Deutschlands statt. Dabei zeigten die DLV-Tagungen in Rostock und Leipzig, wie schnell in der deutschen Lusitanistik zusammenwuchs, was zusammengehört. Nach dem 7. Deutschen Lusitanistentag, der an meiner Universität zu Köln, also im Westen der Bundesrepublik Deutschland stattfand, konnte der DLV seinen 8. Deutschen Lusitanistentag an der LMU München veranstalten und damit erstmals tief in den Süden Deutschlands vordringen, in den Freistaat Bayern und die Stadt München, wo seit Jahrhunderten Beziehungen zu den portugiesischsprachigen Ländern und Kulturen existieren, die nun auch eine neue Visibilität erlangen.

Vielleicht ist dieser lusitanistische Weg gen Süden im Jahr 2009 auch noch nicht zu Ende, denn der Deutsche Lusitanistenverband, dies zeigt seine Mitgliederstruktur und dies zeigt auch die Zusammensetzung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieser Tagung, versteht sich als Organ und Verband aller deutschsprachigen Lusitanistinnen und Lusitanisten, also auch der Kolleginnen und Kollegen in der Schweiz und in Österreich. So wären Wien und seine Universität ein wunderbarer Ort für den nächsten Lusitanistentag und zugleich eine weitere Brücke der deutschsprachigen Lusitanistik etwa auch zur Lusitanistik Osteuropas.

Erlauben Sie mir als Brasilianist aus der deutschen Karnevalshochburg Köln die ansonsten fast klischeehafte Anmerkung, dass für Brasilianerinnen und Brasilianer die Erinnerung an Österreich und Wien und die erste Kaiserin Maria Leopoldine alljährlich im Karneval lebendig wird, wenn die Escola de Samba Imperatriz Leopoldinense in das Karnevalsstadion von Rio de Janeiro, das Sambódromo einzieht. Vielleicht denken sie auch an Wien, wenn sie Stefan Zweigs Brasilien Ein Land der Zukunft lesen oder einen Sohn auf den Namen Mozart taufen. Doch ist Wien noch Zukunftsmusik und lassen Sie mich deshalb zu der beeindruckenden Gegenwart des 8. Deutschen Lusitanistentages in München zurückkommen: Die Breite und die Originalität der Vorträge zeigt die kreative und produktive Vielfalt unserer Forschungsansätze und die Weite unseres Forschungsfeldes mit seinen Teildisziplinen Afrolusitanistik, Brasilianistik und Portugalistik. In der Sprachwissenschaft haben neben der weiterhin lebendigen Basis der historischen und systematischen Linguistik im Zeitalter der Globalisierung die Diversität und die reiche Vielfalt der portugiesischsprachigen Welt einen wichtigen Platz eingenommen. Dies zeigen Vorträge zum Crioulo caboverdiano in Mindelo und Santiago, über den Sprachgebrauch und die Sprachwahl im Português Moçambicano (PM), über die verba dicendi zum Ausdruck von Evidentialität in Texten des kolonialen Amazoniens, zum Portugiesischen in Daman (Indien) bis zur Corpora-Erstellung der jugendsprachlichen Varietät in Portugal und zu den Argumenten der Sprachwahl in kapverdisch-portugiesischen Raptexten aus Lissabon. Erstmals nehmen Teilnehmerinnen aus Mosambik am Lusitanistentag aktiv teil.

Auch in den Literatur- und Kulturwissenschaften kommt die interkontinentale Dimension der Lusitanistik zum Tragen: Von Goa bis Angola, von Lisboa und São Paulo bis Santiago (Cabo Verde) und Santiago de Compostala reicht das literaturgeographische Spektrum, von Machado de Assis und Eça de Queirós bis zu José Saramago, José Eduardo Agualusa und Antonio Tabucchi die Reihe der untersuchten Autoren, um nur einige Beispiele zu nennen.

Thematisch liegt ein Schwerpunkt auf den Kontexten „Liebe und Sexualität“, auf „paixão e perdição“. Die Beiträge beginnen auf diesem Feld bei der Liebeslyrik des Mittelalters und reichen über Camões und die  Liebe, Leidenschaft und Treulosigkeit bei Machado de Assis bis zu den marginalen Diskursen im Hip Hop von São Paulo. Erstmals konzentriert sich eine Sektion ganz auf Schriftstellerinnen im lusophonen Afrika.

Nicht nur Interkontinentalität sondern auch Intermedialität spielt in der modernen Lusitanistik eine große Rolle: Von Iracema in Film und Literatur bis zu Funktion und Ästhetik der Urbanität in der modernen portugiesischen Populärmusik, von Dämonen, Trickstern und Exus im brasilianischen Theater der frühen Neuzeit bis zum Teatro do Negro im 21. Jahrhundert, von der soziologisch orientierten Analyse der avantgardistischen Kunst Hélio Oiticicas bis zur Untersuchung der Favelas Rio de Janeiros im brasilianischen Gegenwartskino reicht das Spektrum der Vorträge in verschiedenen Sektionen.

In den durch die tief greifenden Veränderungen der deutschen Universitätslandschaft geprägten schwierigen Rahmenbedingungen kann die Lusitanistik nur präsent bleiben, wenn sie ausgehend von ihren Kerndisziplinen Literaturwissenschaft und Lingusitik auch inter- und transdisziplinär den Kontakt zu und die Zusammenarbeit mit anderen Fächern sucht, vor allem, aber nicht nur in den Kultur- und Sozialwissenschaften. Ich denke, dass unsere Tagung beweisen kann, dass die deutschsprachige Lusitanistik gut aufgestellt ist und ihren Teil dazu beiträgt, dass die strategische Position des Portugiesischen als Weltsprache auch in den deutschsprachigen Ländern mehr Visibilität und Skripturalität gewinnt.

Ich wünsche allen ausgehend vom 8. Deutschen Lusitanistentag eine gute Zusammenarbeit, neue Perspektiven für die Forschung und Lehre und bereichernde Diskussionen und Kontakte.

Claudius Armbruster